Die Leistungsfähigkeit der künstlichen Intelligenz (KI) für sich zu nutzen, ist für moderne Unternehmen unerlässlich geworden. Die Möglichkeiten, die diese Technologien bieten, scheinen enorm zu sein - und der Fortschritt lässt nicht nach. Und dennoch schaffen es viele Unternehmen nicht, durch Investitionen in KI einen Mehrwert zu schaffen. Bereits im Jahr 2018 prognostizierte Gartner, dass bis zu 85 % der Machine-Learning-Projekte scheitern werden. Viele berichten, dass sich dies seit der Veröffentlichung nicht wesentlich geändert hat.
Was KI-Initiativen behindert
Viele Faktoren beeinflussen den Erfolg (oder den Misserfolg), darunter:
- Eine klare und realistische Problemstellung
- Ausreichende und relevante Daten
- Die Fähigkeit von einem Proof of Concept oder Proof of Value zu einer Produktionslösung zu skalieren
- Angemessene Infrastruktur und technisches Know-how
- Widerstand gegen Veränderungen und mangelnde organisatorische Unterstützung
- Schwierigkeiten bei der Integration von Modellen und Erkenntnissen in neue und bestehende Geschäftsprozesse
Es ist leicht, die von der KI versprochenen Funktionen mit Lösungen für bestimmte Geschäftsprobleme zu verwechseln. Es reicht nicht aus, zu wissen, was eine Technologie leisten kann – wir müssen mit einem Problem beginnen, bevor wir nach einer Lösung suchen. Die Erstellung klar definierter KI-Anwendungsfälle, welche die Herausforderungen in Ihrem Unternehmen angehen, ist ein guter Anfang.
Features sind keine Use Cases
Die Begriffe „Features“ und „Use Cases“ werden häufig synonym verwendet, obwohl es tatsächlich grundlegende Unterschiede gibt.
Features beschreiben die Fähigkeiten eines Systems oder einer Technologie. Als einfaches Beispiel könnte ein Wasserkocher die Eigenschaft haben, dass er 2 Liter Wasser in 90 Sekunden von Raumtemperatur auf 100 Grad erhitzen kann. Auch wenn das beeindruckend sein mag, ist es von geringem Wert, es sei denn, Sie benötigen in den nächsten paar Minuten kochendes Wasser.
Use Cases können jedoch tatsächliche Probleme innerhalb Ihrer Organisation darstellen, die angegangen werden müssen. Sie sind nicht nur Merkmale einer Technologie ohne Kontext. Durch die Erstellung von Anwendungsfällen (Use Cases) kann die Wahrscheinlichkeit erheblich erhöht werden, dass Ihre Investition in KI-Technologie einen echten Mehrwert bietet und sinnvolle Veränderungen vorantreibt.
Ohne Kontext ist es nicht möglich Risiken und Einschränkungen zu verstehen. Möglicherweise gibt es Annahmen, die bei der Berücksichtigung Ihrer besonderen Bedürfnisse nicht zutreffen. Beispielsweise kann ein Elektrofahrzeug eine Reichweite von 515 km melden – in Wirklichkeit kann diese bei Betrieb in einer realen Umgebung eher bei 400 km liegen. Use Cases und die darauf folgenden Schritte können dabei helfen, unliebsame Überraschungen zu vermeiden.

Daher sind Features zwar unerlässlich, aber nur eine Phase Ihrer KI-Reise. Sie stellen das „Was“ dar, beantworten aber oft nicht das „Warum“ und das „Wie“. Der hier gewählte Ansatz wird uns helfen, die Lücken zu schließen und uns vom Bereich der Möglichkeiten in den Bereich der Lösungen zu führen.
So beginnen Sie mit der Erstellung von KI-Use-Cases
Beginnen Sie damit Schwachstellen oder Lücken in Ihren Geschäftsprozessen zu identifizieren und aufzulisten. Sprechen Sie mit Stakeholdern, Abteilungsleitern und Endbenutzern, um die Relevanz und den Wert der Elemente auf Ihrer Liste zu bestätigen.
An dieser Stelle ist es nicht notwendig alle Elemente eines Anwendungsfalls zu berücksichtigen. Das erste Ziel besteht darin, mögliche Bereiche für Verbesserungen zu definieren. Nachdem dies erledigt ist, ist es an der Zeit, Ihre Liste anhand der positiven Auswirkungen auf Ihr Unternehmen zu priorisieren. Eine Möglichkeit hierzu besteht darin, für jede von Ihnen identifizierte Verbesserung eine Use-Case-Scorecard zu erstellen.
Für jeden dieser Anwendungsfälle gibt es eine einfache Scorecard, die aus einer Reihe von Bewertungskriterien besteht. Welche Kriterien Sie wählen, hängt von Ihren spezifischen Umständen ab – das Bild unten zeigt ein Beispiel einer solchen Use-Case-Scorecard.

Eine Punktzahl zwischen 1 und 5 ergibt zusammen mit der Gewichtung eine Gesamtnote für den Use Case. Durch die Gewichtung können wir für jedes Kriterium eine relative Bedeutung festlegen. Wir können nun eine Prioritätenliste von Anwendungsfällen erstellen, die eine erste Reihenfolge für die nächsten Schritte vorgibt.
Der Scorecard- und Bewertungsprozess kann normalerweise ohne vollständige Details eines Use Cases erfolgen (wie in Abbildung 2 dargestellt). Investieren Sie in der Evaluierungsphase nur so viel Aufwand wie nötig.
Abschließende Gedanken
Das Denken an Use Cases und nicht an Features oder Funktionen wird dazu beitragen, die KI-Funktionen an spezifische geschäftliche Herausforderungen anzupassen. Das Erstellen einer priorisierten Liste potenzieller KI-Anwendungsfälle ist ein iterativer Prozess. Oftmals wird es notwendig sein, einen oder mehrere Schritte noch einmal zu überprüfen und mehr Details dazu zu erfassen. Der Gesamtprozess sieht in etwa wie in Abbildung 4 aus.

Scorecards bieten einen Referenzpunkt, um bei Bedarf Prioritäten zu überprüfen. Wenn sich die Umstände ändern, können diese aktualisiert und neu bewertet werden. Nur wenige Menschen werden in ein Unternehmen investieren wollen, bei dem die Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns bei 85 % liegt.
Use Cases allein garantieren keinen Erfolg. Aber sie tragen dazu bei, einen Konsens der Stakeholder zu erzielen. Außerdem stellen sie sicher, dass der geschäftliche Kontext berücksichtigt wird und legen klar dar, wie vorzugehen ist. Verlassen Sie sich nicht nur auf Funktionen, um Mehrwert für Ihr Unternehmen zu schaffen – verbessern Sie die Chancen zu Ihren Gunsten, indem Sie Use Cases erstellen, die auf Ihre individuellen Geschäftsanforderungen abgestimmt sind.